Planetarium und Pantheismus

Neulich war ich in einem Planetarium, zum ersten Mal. Der unverschmutzte wolkenlose Himmel in der Kuppel leuchtete hell mit seinen tausenden von Galaxien im unendlichen Raum. Dann wechselte die Perspektive, in unsere Sessel versunken, sahen wir die Erde, wie von der Raumstation aus gesehen, und dann, immer kleiner, von einem Punkt weit draußen im dunkeln All.  Tausende von Satelliten umschwirrten unsern Heimatplaneten wie Mücken das Licht, ein dichtes Netzwerk aus Leuchtpunkten und Informationsträgern, Noosphäre hatte der Mönch und Mystiker, der Biologe und Evolutionstheoretiker Teilhard de Chardin ein solches wirbelndes Netzwerk aus Informationsströmen und Wissen und Spiritualität genannt. Ein geistiges Netz, das die Menschheit verbindet und die Erde umspannt. Noosphäre – Computertheoretiker, Informatiker und Erdwissenschaftler haben den schillernden theologischen Begriff übernommen:  dass Versprechen eines höheren kollektiven Bewusstseinszustands der Menschheit, einer neuen Synthese der Wissenschaften, auch einer Weltmoral – das war die Hoffnung der Internetpioniere gewesen. 

Dreißig Jahre nach diesem  schönen Anfang saßen jetzt ein paar Dutzend junge Computerwissenschaftler unter dem virtuellen Sternenhimmel und der simulierten Erdkugel. Sie hatten zwei Tage lang über die technischen Probleme der Erdbeobachtung durch Satelliten debattiert, über das Sammeln von Daten über den Zustand der Erde, die Temperatur, die Verwüstungen, die Fischschwärme, die Handelsströme. Da war es sehr technisch zugegangen – und nun wurde hier in drei virtuellen Dimensionen unter der Kuppel der Satellitenblick aus dem Weltall auf die Erde simuliert. Als die blau-grün-weisse Kugel sehr massiv über uns schwebte, umgeben vom Netz der Satelliten, kam selbst unter diesen nüchternen Wissenschaftlern eine vibrierende und aufmerksame Stille unter dem künstlichen Sternenzelt auf, mit einer Beimischung von Staunen. So jedenfalls habe ich es empfunden und so hörte ich es am Atem meiner Nachbarn. Dann zoomten wir näher heran und konnten sehen, wie die  Korallenkolonien am Great Barrier Riff ihre Farbe verlieren, wie  Hurricane ihre Schneisen durch die Elendsviertel von New Orleans legten, die Waldflächen der Kontinente schrumpften. Und dann fragte eine junge Stimme aus dem Dunkeln den Referenten von der NASA, wie sich denn diese Erkenntnisse über die Verluste in Politik umsetzen? Eine Antwort gab es an diesem Abend nicht. 

In der Tat fällt eine aufmunternde Antwort schwer. Die Wirklichkeit der Welt, so fasste es in einem Wort der Bischof von Limburg und Vorsitzende der Katholischen deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Georg Bätzing, in seiner diesjährigen Fastenpredigt zusammen – die Wirklichkeit der Welt, sie ist „düster“. Angesichts von Klimakrise, Artenschwund, Ungleichheit, Terror und Krieg sei die „Bilanz der Zuversicht“, dass eine Lösung dieser Krisen gelingen könnte: „negativ“, ebenso wie die „Bilanz der Hoffnung“, dass die Mentalitäten sich ändern könnten. 

Und zu diesen Mentalitäten gehört auch der christliche Glaube. „Wir haben viel verloren“ – so begann Georg Bätzing seine Predigt. „Viel zu viele haben uns den Rücken gekehrt.“ Bischof Bätzing zitierte die jüngste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die einen „anhaltenden Niedergang“ in kalte Zahlen fasste. Der Mitgliederverlust ist rasant. Nur mehr 48 Prozent der Bevölkerung…gehören einer der beiden großen Kirchen an“. Wenn die Austrittsrate so bleibt, dann wird sich die Zahl der Kirchenmitglieder in den 40 Jahren halbiert haben. Und damit die Einnahmen aus der Kirchensteuer. Es braucht nicht viel buchhalterische Phantasie, um sich auszumalen, was das bedeutet: Für die Zahl der Priester und Pastoren, der Kindergärten und Pflegeeinrichtungen, fürs Renovieren der Kirchtürme. 

Aber nicht nur viele zahlende Mitglieder, sondern viel geht verloren, heißt es in der Predigt. Viel ist schon verloren gegangen. Der Glaube nämlich. Der Glaube, dass es, so Kardinal Bätzing, den „einen Gott gibt“, der in der Geschichte wirkt, „der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat“. Die Mehrheit der Bevölkerung ist „kaum noch religiös ansprechbar“. Die Säkularisierung treibt ihrem Ende entgegen. Der Glaube wird nicht mehr selbstverständlich von Generation zu Generation weitergegeben. Und wer das Beten nicht in der Kindheit lernt, der ist der Kirche und dem Glauben in den meisten Fällen fürs ganze Leben verloren. 

„‚Heiliges‘“, so heisst es in der Mitgliederstudie, „wird nicht erwartet, die Nachfrage nach Religion ist gering.“ Selbst unter den Kirchenmitgliedern. Wie steht es da um die Gegenwart Gottes in der Geschichte, um die tröstende Gewissheit des Bischofs in seiner Predigt: dass die „Wirklichkeit der Welt“, uns freundlich begegnet, dasss sie auch heute „ein Entdeckungsort göttlicher Spuren“ ist? 

Sie scheinen bis zum Verschwinden verweht. Und das hat zu tun mit einem Prozess, der vor fünfhundert Jahren einsetzte und an dessen Ende Satelliten die Erde umkreisen. Eine Erde, die zunehmend erschöpft ist vom Sturm der Moderne, der vor einem halben Jahrtausend einsetzte, als die Naturwissenschaften den Anspruch auf ein Monopol bei der Welterklärung anmeldeten. 

Gott und die Wunder wanderten aus der Welt aus, in dem Maße, in dem die Unbegreiflichkeit des Kosmos, die Katastrophen der Natur und die Schmerzen des Leibes und die Wechselfälle des Lebens mit den Werkzeugen der Wissenschaft bearbeitbar wurden – die Entzauberung der Welt war auch ihre Entgöttlichung.  

Die Seelen der Menschen leisteten lange hinhaltenden Widerstand. In der Vorstellungswelt vieler Gläubiger und den Predigten ihrer Pastoren blieb der Himmel lange Zeit noch weiterhin oben, das Universum nicht kalt und unbewohnt, drehte sich die Sonne weiterhin um die Erde.  „Brüder überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen“ heißt es noch in Schillers Hymne, aber immerhin: das ewige Leben, das die erste Fassung noch versprach, hat der idealistische Aufklärer in der späteren Fassung gestrichen. Der Abschied von beidem – dem Gott, der mich sieht und mich lieb hat, wie es im Abendlied von Matthias Claudius heisst und von der Verheissung des Lebens nach dem Tod – war hart und schmerzhaft. Aber allmählich strömte in der Lücke, die dieser Abschied riss, eine neue Verheißung: das Fortschrittsversprechen der Aufklärung: eine Welt ohne Hunger, mit wachsendem Wohlstand, längerem Leben in einer Gesellschaft der Gleichen würde möglich. 

Der Himmel ist höchstwahrscheinlich leer, sagten die Aufklärer. Auch kannst Du dem Tod nicht entkommen, aber Du kannst nun – um die Angst zu vergessen –  immer mehr Welt konsumieren, soviel, wie Du erarbeiten oder erwerben kannst. An die Stelle des ewigen Lebens, an die Stelle des Aufgehobenseins in Abrahams Schoß trat der Katalog einer  tendenziell unendlichen und demokratischen Vervielfältigung der irdischen Genüsse. 

Nicht mehr das Evangelium, sondern der nüchterne Geist des Fortschritts , das eherne Gesetz des Zinseszins brachten die Welt in der Neuzeit auf besondere Weise in Bewegung: Menschen, Maschinen, Rohstoffe. Das hat die Welt erobert, überbaut, umgegraben, hat die Not von Millionen gewendet, ihr Leben bereichert, auf Kosten des Lebens von Millionen anderer; der Exzess des Weltverschleißes aber brachte Katastrophen hervor: ökologische, soziale, seelische. Es ist inzwischen allgemeines Wissen und nicht nur das von Wissenschaftlern, dass wir mit dieser exzessiven, naturverbrauchenden, von abstrakter Gier getriebenen Lebensweise kurz vor der Zerstörung der Lebensgrundlagen auf diesem Planeten stehen. Aber der universelle Aufschrei ist nicht zu hören. Nur ein Gott kann uns retten, dichtete der Philosoph Heidegger angesichts der Krise der Moderne, noch bevor der Konsumismus der letzten sechzig Jahre einsetzte. Aber welcher Gott könnte das sein? Wie steht es um die Rückbesinnung auf die Natur, auf das große Gegenüber, das in der christlichen Lehre keine große Rolle spielte? 

Zu naturreligiösen und pantheistischen Gedanken jedenfalls, zur Gleichung Gott=Natur hatten die Theologen ein distanziertes Verhältnis. Auch zu Goethe, der in der Natur das Heilige sah, das All-Eine.

In der kirchlichen Praxis wurden solche Töne geduldet, naturreligiöse Motive assimiliert. Vor allem in vielen lateinamerikanischen Ländern kann man Mariendarstellungen sehen, die alle Attribute der Pacha Mama tragen, der Großen Mutter Natur, die in allem webt und lebt. Das war ein unvermeidliches Zugeständnis an die frisch christianisierten neuen Untertanen der europäischen Kronen. Der aus Europa eingedrungene Gott aber blieb überirdisch. 

Der Pantheismus hat bis heute keine starke Stellung im kirchlichen Betriebssystem. „Der Pantheismus ist nichts… was Bestand hat“, so zitiert der Theologe Hubertus Mynarek, der 1972 aus der Kirche ausgetreten war, Papst Franziskus. Franziskus, der doch wie keiner vor ihm in seinen Enzykliken Fürsprecher der Natur ist,  lästere Franziskus gar über den „Dio-Spray“, den Gottesspray etwa aller New-Age-Vorstellungen, über das „unpersönliche‚spirituelle Bad im Kosmos’, über einen Gott, ‚der ein bisschen überall ist, ohne dass man weiss, was er ist’“.

Pantheisten, so der Papst, könnten leicht bei einem „Konsumverhalten oder bestenfalls einer ‚immanenten Transzendenz’ landen“. Der Pantheismus führe nicht zu einer wirklichen Religiosität“. Sein Gott sei ein „diffuses Sein“, das sich schließlich in einem „Götzenbild“ verkörpere, und so kämen die Pantheisten dann dazu, „einen Baum anzubeten oder Gott in einem Baum zu sehen“. Was wäre falsch daran? Was ginge verloren, wenn an die Stelle einer massiven Gottesvorstellung eine Allgegenwart des Göttlichen im Kosmos träte? 

Ihr findet mich im Licht, im Holz, im Stein – so redet immerhin der Jesus im apokryphen Thomas-Evangelium, und die Religionsgeschichte legt nahe, dass die Gottesvorstellung im selben Maße massiv und konkretistisch wurde, wie die Verkirchlichung des Glaubens zunahm. 

Ein diffuser Pantheismus muss nicht zu passivem oder nur ästhetischem Genuss führen, aber es stimmt: er ist zunächst einmal moralisch neutral. Eine Natur, die wir nicht als Subjekt denken, fordert uns auch nicht zum Handeln auf, ebenso wenig wie das Wissen um sie. Und selbst die empathische Verbundenheit mit der Oberfläche der Welt kann sich in Mitleid oder romantischem Schwelgen erschöpfen.  

Brauchen wir also Gott, oder so etwas wie Gott, um vom Wissen zum Handeln zu kommen? Vor einiger Zeit schon schlug der amerikanische Biologe Stuart Kauffmann genau das vor. Seine Idee: Die Kreativität des Universums, der Evolution, der Materie – diese universelle kreative Energie zu heiligen. 

((Es ist ein Angebot nicht ohne Poesie. Ein Beispiel nur: 

Das Eisen in meinem Körper ist Staub erloschener Sterne. Das Erbe von Riesensternen, 

die plötzlich in sich stürzten und ihre Elemente weit ins tiefe Universums schleuderten, wo sie mit kosmischer Materie neue Sterne zeugten – und auch die Erde. Dank dieser weitgereisten Sternenasche verbrennt das Kraftwerk unserer Zellen die Nahrung und schenkt uns Energie. In uns glimmern Abermilliarden winziger Flammen – Abglanz längst verloschener Sternenfeuer aus den Weiten des Universums. In uns, den Gliedern einer kosmischen Kette, in der nicht nur für Sterne, sondern auch für uns jedes Ende ein Anfang ist. 

Der da so schön und weltfromm  über die vierte Dimension menschlicher Lebewesen schreibt, das ist eben gerade kein Poet des New Age, sondern der verstorbene Biochemiker Gottfried Schatz, der die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen erforscht hat. Und keines seiner poetischen Worte ist Metapher. ))) 

Die Poesie einer ununterbrochene Kette des Seins, von den Galaxien bis ins Innerste der  tanzenden Moleküle, aus denen wir bestehen – unser Innerstes verbunden mit dem Wirken kosmischer Kräfte – an vielen vorgeschobenen Bastionen der wissenschaftlichen Welterkundung wird ein Bild vom Universum sichtbar, das so unwahrscheinlich und so großartig ist, dass es in uns dieselben Gefühle wecken kann, mit denen Menschen seit jeher dem Heiligen begegnen: Ehrfurcht, Demut, Verehrung. Gefühle, die uns zum Handeln motivieren. Es wäre angelehnt an religiöse Weltdeutungen aller Art – durchaus angelehnt an hinduistische und buddhistische Philosophien.

Stuart Kauffman schlägt vor, diese Kreativität des Universums Gott zu nennen. Ist das nötig? Ein Universum, in dem vom Molekül bis über die Galaxien hinaus alles lebt, fühlt, aktiv ist – heilig zu empfinden – es wäre ein Schritt hin zu einer alle Menschen auf  Erden einenden Weltsicht. Und vielen teilen diese Weltsicht schon jetzt oder seit langem. Aber warum es Gott nennen? Das wäre schon deshalb problematisch, weil die Christen nur eine, wenn auch die mitgliedermäßig größte, unter den Religionen ist, und keine der religiösen Eliten auf seine Kerndogmen verzichten würde. Aber brauchen wir denn überhaupt Gott, um die Welt zu retten? 

Am Ende des 19. Jahrhunderts sah Friedrich Nietzsche ein böses Ende des neuzeitlichen Fortschritts voraus. Nach dem Ende des weißen, europäischen Imperialismus würde der Fortschritt nur noch global sein können, als eine „ökonomische Verwaltung der Erde als Ganzes“. Bloß keine Weltreligion, bloß keine Weltregierung, warnte er; der Weg dorthin würde die Menschheit zugrunde richten. Und den Anfang dieses Endes erleben wir vielleicht gerade. Es gehe vielmehr darum, dass die Menschheit sich „ökumenische, die ganze Erde umspannende Ziele stelle“, deren Maßstab eine „alle bisherigen Grade übersteigende Kenntnis der Bedingungen der Kultur“ sei. Das Wissen über unser großes Gegenüber, die Natur steigern, und das Wissen über uns selbst und unsere Schwächen und Möglichkeiten. Die Sprache solcher Wissenschaft könnte die Sprache sein, in der sich die Menschheit über die Lage verständigen könnte und zur Einheit finden. 

Die Menschheit? Ja, die Menschheit. Denn zum ersten Mal ist der Begriff Menschheit etwas anderes als eine Abstraktion oder ein schöner Gedanke, sondern eine konkrete materielle Verbindung zwischen dem Handeln von Milliarden von Menschen und dem Schicksal dieses Planeten. Wir lösen diese Krisen nur global, und das heißt miteinander und koordiniert. Und wir haben ja schon einige Institutionen, die sich in Ansätzen der Verwaltung des Planeten und seiner Stoffwechsel annehmen, das Schlimmste verhindern, die ein planetares Bewusstsein vorereiten, aber sie stehen noch unter dem Druck der alten Interessen. Es fehlen uns Rituale. Und uns fehlt auch noch eine neue globale Sprache, in der unsere Erkenntnisse und die Aufforderung zum individuelles Handeln eine alltägliche, ja selbstverständliche Verbindung eingehen. Wäre das nicht so etwas wie eine Religion? Die unsere Epoche nicht als Endzeit, sondern als Anfang von etwas Neuem begriffe? 

Wir haben viel verloren, aber wir sind nicht am Ende – so fasste Bischof Bätzing seine Fastenpredigt, seine Bestandsaufnahme zur Lage des religiösen Bewusstseins zusammen. „Aber eine ganz bestimmte soziale Form von Kirche neigt sich dem Ende zu, die in den vergangenen 150 Jahren prägend war“. 

Die alten Religionen, vor der Aufklärung und dem Wissenschaftlichen Zeitalter, waren Systeme der Welterklärung, also der Wissenschaft; der Gebote für das Zusammenlebens, und des Trostes für die Wechselfälle des Lebens, die Endlichkeit, das Unrecht, das erlitten wurde. Und Ihre Propheten waren die Warner vor Gefahren, die der Gemeinschaft drohten, Kritiker verderblicher Sitten und von Herrschaftsanmassung, Unterdrückung und Unrecht.  

Das Wissen, wie es um uns steht – als Gemeinschaft, als Nation, als Weltgesellschaft – kommt heute aus der Wissenschaft, den Satelliten, den Statistiken.  Was uns für eine globale Ökumene der Erdbewohner fehlt, sind  Instanzen, die uns nötigen, an das zu glauben, was wir wissen. So sehr zu glauben, dass unser Wissen zum Gewissen wird. Institutionen, die leisten, was früher die Aufgabe der Propheten war: uns als Einzelne zum Handeln nötigen. 

Zurück zu meinen Gefühlen im Planetarium: Der Blick auf den blauen Planeten und seine Unwahrscheinlichkeit, das wissenschaftlich gewonnene Wissen um seine Gefährdung, die Erkenntnis, das wir als einzelne, als Nationen, als Kulturkreis nicht überleben können – der Blick auf diese „Wirklichkeit der Welt“ kann den Boden lockern für die Entstehung einer neue, ebenso aufgeklärte und wissenschaftliche wie emotionale Art der Rückbindung der einzelnen an das Schicksal der Erde. Rückbindung – das heisst auf lateinisch: Religio. 

Handeln unter den Bedingungen der Wirklichkeit der Welt, so sagt es der 2018 verstorbene katholische Philosoph Robert Spaemann, heisst, sich mit anderen zusammentun, um die „alles Handeln vorprägende Systemstruktur zu einem Politikum werden zu lassen.“

Was hieße das für die schrumpfenden Kirchen unserer Breiten in Zeiten globaler Krisen und dringenden Handlungsbedarfs? Den Konflikt mit der Politik nicht zu fürchten. Ungeduldig zu sein, unbequem und penetrant. Immer wieder auszusprechen, was alle längst wissen, aber noch nicht wahrhaben wollen, weil es unbequem ist, oder weil Politiker fürchten, unpopulär zu sein. Auf die radikale Kritik des Papstes an Kapitalismus, Naturzerstörung und Klimawandel, Ungleichheit und Gewalt nachhaltige Aktionen folgen zu lassen, und sei es mit der Hartnäckigkeit der Zeugen Jehovas.  An die Wurzeln zu gehen, und das heisst: radikal sein.  Stachel in der Stagnation zu sein. So fragte der katholische, in ökologischen Fragen engagierte Schriftsteller Carl Amery, ob der totale Markt, ob ein Wirtschaftssystem, das in die ökologische Katastrophe treibt, ob der „Mammonismus“ nicht unvereinbar mit dem christlichen Glauben seien, so wie in Frühzeiten das Goldene Kalb. Und er riet zur Konfrontation, zu einer Unvereinbarkeitserklärung von Christsein und der, wie auch immer gearteten Mitwirkung an einer menschenverachtenden Wirtschaft, einem weltvernichtenden Konsum, einem totalen Markt, einer machtbesessenen Politik. Was die Politik nicht kann oder oder aus guten oder weniger tapferen Gründen nicht will: die Kirchen könnten es: anstrengend zu sein – für die vielen, die ihr Leben ändern müssen, damit wir auch in Zukunft unsere Erde, wie es im Buche Genesis heisst, zu bebauen und zu bewahren. 

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